Bonusansprüche im Arbeitsverhältnis 2024 aktuell

Neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts erhöht die Chancen für Arbeitnehmer

auf Durchsetzung ihrer Bonusansprüche

Das Bundesarbeitsgericht hat allein im Jahr 2023 insgesamt drei wegweisende Entscheidungen zur Durchsetzung von Bonusansprüche für Arbeitnehmer gefällt.

  • 10 AZR 29/22     vom 25.01.2023 Bonusanspruch  aus Gleichbehandlungsgrundsatz
  • 10 AZR 319/20   vom 25.01.2023 Bonusanspruch  aus Zielvereinbarung
  • 10 AZR 288/22   vom 15.11.2023 Ermessensbonusanspruch- Freiwilligkeitsvorbehalt und  Stichtagsregelung

Die jüngste und aktuellste dieser drei Entscheidungen aus November 2023 enthält wichtige Klarstellung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der der Wirksamkeit, der in der Praxis sehr häufig in Arbeitsverträgen, aber teilweise auch in Betriebsvereinbarungen verwendeten Formulierung, die in der Rechtssprache als sogenannter „Freiwilligkeitsvorbehalt“ bekannt ist: :

Diese Sonderzahlung sowie die Gewährung sonstiger Leistungen …, insbesondere in Form sonstiger Gratifikationen, Prämien oder Sondervergütungen erfolgt stets freiwillig. Auch durch mehrmalige Zahlungen in gleicher Höhe wird ein Rechtsanspruch für die Zukunft weder dem Grunde noch der Höhe nach begründet.“

 Ebenso enthält das Urteil des Bundesarbeitsgerichts wichtige Klarstellungen zur sogenannten „Stichtagsregelung“, die in der Regel wie folgt formuliert ist:

Mitarbeiter, die vor dem Ende des Fiskaljahres auf Grund einer Eigenkündigung aus dem Angestelltenverhältnis ausscheiden, haben keinen – auch nicht zeitanteiligen – Anspruch auf einen Bonus.“

Im Ergebnis kommt das Bundesarbeitsgericht dazu, dass sowohl der arbeitsvertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte, als auch die sogenannten Stichtagsregelungen in den allermeisten Fällen unwirksam sind. Das Bundesarbeitsgericht sagt dazu zusammengefasst Folgendes:

„… aus den Orientierunssätze der Richterinnen und Richter des BAG…

  1. „…..“
  2. „…..“
  3. Eine vertragliche Vereinbarung, die der Arbeitgeberin bei der Gewährung eines Bonus freies Ermessen einräumt, weicht vom gesetzlichen Leitbild des 315 I BGB ab, weil das Korrektiv der vollen gerichtlichen Kontrolle der Leistungsbestimmung fehlt. Darin liegt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne von § 307 I 1 iVm II Nr. 1 BGB.“
  4. Ein arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der nicht auf den Entstehungsgrund etwaiger Ansprüche abstellt und damit auch spätere Individualabreden im Sinne von   305b BGB erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne von § 307 I 1   BGB.“…..“
  5. .Der Anspruch auf eine Sonderzahlung, die auch Gegenleistung für bereits erbrachte Arbeitsleistung ist, kann regelmäßig nicht von einer Stichtagsregelung in einer Betriebsvereinbarung abhängig gemacht werden, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Bezugszeitraums voraussetzt. Eine solche Norm ist unwirksam, weil sie Arbeitnehmern bereits verdiente Vergütung entzieht und ihnen ihr Kündigungsrecht erschwert.“

 Was bedeutet das jetzt für Arbeitnehmer hinsichtlich der Durchsetzung ihrer Bonusansprüche konkret in der Praxis?

  1. Auch im Fall einer Eigenkündigung vor Ablauf des Fiskaljahres Ihres Arbeitgebers können Sie Bonusansprüche für die von Ihnen bereits geleistete Arbeit haben und durchsetzen, auch wenn in Ihrem Arbeitsvertrag etwas anderes steht.
  2. Wenn im Arbeitsvertrag geregelt ist, dass die Bonuszahlung allein im Ermessen des Arbeitgebers liegt und auch nach mehrmaliger über Jahre hinweg geleisteten Zahlung kein Anspruch auf einen Bonus besteht, kann ein solcher in den Arbeitgeber durchsetzbar sein.
  3. Bei der Gewährung von Bonusansprüchen kann auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz eine entscheidende Rolle spielen.

 

Wir helfen Ihnen gerne bei der Durchsetzung ihrer Bonusansprüche !

Für eine effektive Erstberatung, die entweder von Ihrer Rechtsschutzversicherung gezahlt wird oder Selbstzahler 250 € zzgl. Mwst. kostet, benötigen wir:

  • den Arbeitsvertrag
  • eventuell bestehende Bonus Regelungen
  • eventuell bestehende Betriebsvereinbarungen
  • die Bonusmitteilungen über die Zahlungen der Vorjahre

  Sprechen Sie uns gerne an! 

              Als Anwälte für Arbeitsrecht in Frankfurt haben wir die Kompetenz Ihre Bonusansprüche durchzusetzen.

 

Pia- Alexandra Kappus

Fachanwältin für Arbeitsrecht

EQUAL PAY DAY 2024 – Equal Pay durch Entgelttransparenz am 18.03.2024 in Mainz – Wir waren dabei!

Am 06.03.2024 war der bundesweite Equal Pay Day in Deutschland – bis zu diesem Tag haben  Frauen dieses Jahr in Deutschland im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen statistisch ohne Bezahlung gearbeitet.

Frauen haben im Jahr 2023 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18% weniger Lohn als Männer erhalten. Wie das Statistische Bundesamt dieses Jahr mitteilte, erhielten Frauen mit durchschnittlich 20,84 Euro einen um 4,46 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (25,30 Euro). Der bereinigte Gender Pay Gap lag bei 6 %. Das bedeutet: Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien wie Männer verdienten im Schnitt 6 % weniger pro Stunde als Männer.

Seit 2017 ist in Deutschland bereits das Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männer (Entgelttransparenzgesetz) in Kraft und regelt einen individuellen Auskunftsanspruch zu dem durchschnittlichen Bruttoentgelt der Beschäftigten, die in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit ausüben. Bisher wird diesem individuellen Auskunftsanspruch, sowie dem gesamten Entgelttransparentgesetz, in der Praxis keine große Bedeutung zugemessen.

Dies kann sich jedoch nun durch die neue europäische Richtlinie zur Entgelttransparenz, die seit dem 6. Juni 2023 in Kraft getreten ist und unter anderem eine Entschädigung bei geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung vorsieht, ändern.

Die Richtlinie sieht als Maßnahmen für mehr Lohntransparenz Berichterstattungspflichten für Unternehmen, Auskunftsansprüche oder verpflichtende Angaben zum Entgelt für Arbeitssuchende vor. Ebenso soll der Zugang zu Justiz für Opfer von Lohndiskriminierung erleichtert werden.

Sollten Sie bereits jetzt von Lohndiskriminierung zwischen Männern und Frauen betroffen sein, können Sie sich gerne an uns wenden. Unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht stehen Ihnen besonders bei diesem Thema jederzeit gerne zur Seite.

Sabrina May

Rechtanwältin

Was passiert dem Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber Insolvenz anmeldet?

Welche Auswirkungen hat die Insolvenz meines Arbeitsgebers auf mein Arbeitsverhältnis?

Diese Frage wird uns in letzter Zeit als Anwälten im Arbeitsrecht in Frankfurt wieder häufiger gestellt.

Der Presse war zuletzt zu entnehmen, dass eine Vielzahl von namhaften Unternehmen einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren gestellt haben.

Selbstverständlich sind Arbeitnehmer in solchen Zeiten unsicher und stellen sich oftmals die Frage, welche Auswirkungen die Insolvenzanträge der Arbeitgeber auf ihr individuelles Arbeitsverhältnis haben. Sollten auch Sie von solch einer Situation betroffen sein, möchten wir Ihnen in diesem Blogbeitrag die wichtigsten Fragen beantworten.

Ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein außerordentlicher Kündigungsgrund?

In den meisten Fällen ist die erste Sorge von Arbeitnehmern, die erfahren, dass ihr Arbeitgeber einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt haben, dass ihr Arbeitsverhältnis von heute auf morgen endet.

Zunächst können wir Sie dahingehend beruhigen, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses keine Auswirkungen hat und dadurch grundsätzlich kein außerordentlicher Kündigungsgrund gegeben ist.

Sollte in Ihrem Fall, dadurch dass das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht, Sie kein Leitender Angestellte i. S. d. KSchG sind und in Ihrem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung kommen, gilt der allgemeine Kündigungsschutz auch während eines Insolvenzverfahrens Ihres Arbeitgebers. Die Wirksamkeit einer Kündigung setzt somit auch während des Insolvenzverfahrens einen Kündigungsgrund voraus, der nicht unmittelbar durch die Insolvenz des Arbeitgebers gegeben ist.

Ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein ordentlicher Kündigungsgrund?

Sollte das Kündigungsschutzgesetz anwendbar sein, müsste ein betriebsbedingter, verhaltensbedingter oder personenbedingter Kündigungsgrund im Einzelfall vorliegen. Selbstverständlich kann eine vollständige Betriebsschließung in Folge des Insolvenzverfahrens mit weiteren Voraussetzungen zu einem ordentlichen Kündigungsgrund führen. Oftmals geht der Antrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Arbeitgebers jedoch auch mit einer Umstrukturierung der betroffenen Betriebe einher, weshalb nicht immer zwangsweise alle notwendigen Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung vorliegen. Das Vorliegen eines Kündigungsgrundes muss jedoch in jedem Einzelfall individuell geprüft werden. Sollte in Ihrem Fall eine Kündigung in Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Ihres Arbeitgebers ausgesprochen werden, können Sie sich gerne an unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht der Kanzlei KAPPUS&BOHNE wenden, damit diese individuell auf Ihren Fall zugeschnitten, prüfen können, ob die ausgesprochene Kündigung wirksam ist oder welche Handlungsmöglichkeiten Sie haben.

Welche Kündigungsfrist gilt nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens?

Sollte gesetzlich oder vertraglich eine kürzere Kündigungsfrist als drei Monate vereinbart sein, gilt auch diese nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

In den Fällen, in denen die gesetzliche Kündigungsfrist oder die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist länger als drei Monate ist oder das Recht auf eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, gilt nach § 113 S. 3 InsO eine verkürzte Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende für den Insolvenzverwalter. Das Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters i. S. d. § 113 InsO beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Wird der Lohn bis zum Beendigungszeitpunkt noch gezahlt?

Grundsätzlich behalten Arbeitnehmer aufgrund des unveränderten Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses ihre Lohnansprüche gegenüber ihrem Arbeitgeber.

Arbeitslohn, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, muss der Insolvenzverwalter grundsätzlich aus der Insolvenzmasse zahlen.

Sollte Ihr Arbeitgeber seinen Zahlungspflichten nicht mehr oder nicht mehr vollständig nachkommen können, haben Sie mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder in den Fällen, in denen durch einen gerichtlichen Beschluss das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet wird, einen Anspruch auf Insolvenzgeld. Das Insolvenzgeld wird durch die Agentur für Arbeit gezahlt. Das Insolvenzgeld wird einmalig rückwirkend für die letzten drei Monate vor Eintreten der Insolvenz gezahlt. In der Regel wird das Insolvenzgeld in Höhe des Nettolohnes ausgezahlt. Eine entsprechende Höchstgrenze kann vom jeweiligen Bundesland festgelegt werden. Welche Lohnbestandteile in diesem Zusammenhang als Grundlage berücksichtigt werden und welche Bonuszahlungen hiervon nicht umfasst sind, schildern wir Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch mit einem unserer Fachanwälte für Arbeitsrecht der Kanzlei KAPPUS&BOHNE, da es hierbei insbesondere darauf ankommt, ob die jeweilige Bonuszahlung als Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung angesehen wird.

Sollte der Arbeitgeber Ihnen über einen längeren Zeitraum als den, der über das Insolvenzgeld abgedeckt ist, Lohn schulden, handelt es sich um keine bevorrechtigten Forderungen, sondern es handelt sich um einfache Insolvenzforderungen.

Wir hoffen, dass wir Ihnen die wichtigsten Fragen in Bezug auf eine Insolvenz Ihres Arbeitgebers beantworten konnten. Trotz dessen empfehlen wir Ihnen sich schnellstmöglich mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht der Kanzlei KAPPUS&BOHNE in Verbindung zu setzen, sobald Ihnen aufgrund der Insolvenz Ihres Arbeitgebers eine Kündigung ausgesprochen wird oder Ihr Arbeitgeber Ihnen bisher nicht vollständig Ihren Lohn ausgezahlt hat.

Sabrina May

Rechtsanwältin

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WEIHNACHTSSPECIAL II – Weihnachtsfeiern und ihre arbeitsrechtlichen Auswirkungen

Dezember – Der Monate der Weihnachtsfeiern hat begonnen. Die meisten Arbeitnehmende freuen sich auf die alljährliche Weihnachtsfeier und machen sich wenig Gedanken über die möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen einer Weihnachtsfeier.

Damit Sie optimal auf Ihre Weihnachtsfeier vorbereitet sind und genau wissen, welche arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen können, klären wir Sie im folgenden Blogpost über die wichtigsten arbeitsrechtlichen Konsequenzen auf:

 

Muss man an der betrieblichen Weihnachtsfeier teilnehmen?

Für alle Arbeitnehmer, die nicht an der Weihnachtsfeier teilnehmen möchten, gibt es eine gute Nachricht – grundsätzlich besteht keine Teilnahmepflicht an betrieblichen Weihnachtsfeiern. Selbst wenn die Weihnachtsfeier während der betrieblichen Arbeitszeit stattfindet, sind Sie grundsätzlich nicht zur Teilnahme verpflichtet. Die Arbeitnehmer, die sich gegen die Teilnahme an der Weihnachtsfeier entscheiden, müssen jedoch während dieser Zeit ihre arbeitsvertragliche Arbeitsleistung erbringen.

 

Ist man auf der Weihnachtsfeier versichert?

Die Weihnachtsfeier ist in den meisten Fällen eine betriebliche Veranstaltung, weshalb bei der Teilnahme unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht. Grundsätzlich sind alle Tätigkeiten, die während der Veranstaltung mit dem Gemeinschaftszweck verbunden sind, versichert.

Aber aufgepasst, sobald die Weihnachtsfeier offiziell beendet ist, ist auch der gesetzliche Versicherungsschutz beendet (LSG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.02.2008 – L 3 U 71/06). Sollten Sie mit Ihren Kollegen und/oder Vorgesetzten nach dem offiziellen Teil der Weihnachtsfeier weiter feiern, sind Sie nicht mehr von der gesetzlichen Unfallversicherung geschützt.

Sollten Sie aber unmittelbar nach Beendigung der Weihnachtsfeier Ihren Heimweg antreten und sich auf Ihrem „Nach-Hause-Weg“ verletzen, kann es sich trotz allem um einen Wegeunfall handeln. Der Versicherungsschutz eines Wegeunfalles entfällt in solchen Fällen, aber auch dann, wenn Sie unter Einfluss von Drogen stehen sollten oder bei absoluter Fahruntüchtigkeit einen Verkehrsunfall mit ihrem Kfz verursachen.

Beleidigungen, Schlägereien, sexuelle Übergriffe – auf Weihnachtsfeiern unter Alkoholeinfluss erlaubt?

Bei Weihnachtsfeiern handelt es sich um betriebliche Veranstaltungen, weshalb Arbeitnehmer auch in diesem Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen muss und sich nicht auf die Auswirkungen des Alkoholgenusses berufen kann. Um Ihnen ein Gefühl dafür zugeben, was auf Weihnachtsfeiern nicht erlaubt ist und zu einer Kündigung führen kann, haben wir Ihnen mal ein paar Beispiele aus der Praxis rausgesucht, die tatsächlich in der Form bereits passiert sind und von Arbeitsgerichten entschieden werden mussten:

 

Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte darüber zu entscheiden, ob eine fristlose Kündigung nach 23 Betriebszugehörigkeit gerechtfertigt sei, wenn der Arbeitnehmer auf der Weihnachtsfeier seinen Vorgesetzten als „Wichser“ und „Arschloch“ bezeichnet und diesem einen ausgestreckten Mittelfinger zeigt.

Das LAG Hamm hat in seinem amtlichen Leitsatz des Urteils vom 30.06.2004, Az.: 18 Sa 836/04 entschieden, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, seiner Vertreter oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen können und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen. Es ist nicht erforderlich, dass die Beleidigungen während der Arbeitszeit im Betrieb erfolgen. Auch auf einer Betriebsfeier außerhalb der Arbeitszeit geäußerte grobe Beleidigungen stellen einen erheblichen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten dar.

 

Das Arbeitsgericht Osnabrück hatte in seinem Urteil vom 19.08.2009, Az. 4 BV 13/08, zu entscheiden, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sei, wenn ein Arbeitnehmer, der auf einer Weihnachtsfeier singt und dabei von seinen Kollegen zum Aufhören aufgefordert wird, diese Kollegen anschließend ins Gesicht schlägt. Es ist bis zum Schluss strittig geblieben, ob der singende Arbeitnehmer die Kollegen mit der flachen Hand oder mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat. Auch in diesem Fall war die außerordentliche Kündigung wirksam, obwohl der singende Arbeitnehmer Betriebsratsmitglied und bereits seit 24 Jahren im Betrieb beschäftigt war. Die Rechtfertigung der singende Arbeitnehmer sei nicht mehr zurechenbar gewesen, weil er zu viel Alkohol konsumiert habe, ließ das Arbeitsgericht auch nicht mildernd gelten.

 

Das Arbeitsgericht Elmshorn hatte erst dieses Jahr einen Fall der außerordentlichen Kündigung nach einer sexuellen Belästigung auf einer Weihnachtsfeier zu entscheiden.

Eine Mitarbeiterin hatte für die Geschäftsführung der Beklagten Weihnachtsgeschenke besorgt und das Geld für die Geschenke zunächst für die Kollegen ausgelegt. Nach dem Abendessen wandte sich die Mitarbeiterin an den Kläger, um dessen Anteil von 10,00 EUR für das Geschenk einzusammeln. Der Kläger hatte den Betrag nicht passend und seine Kollegin konnte noch nicht wechseln. Hieraufhin äußerte der Kläger gegenüber der Kollegin und in Anwesenheit von vier Arbeitskollegen:

 

„Wir können sie auf den Kopf stellen und die Geldkarte durch den Schlitz ziehen.“

 

Das Arbeitsgericht Elmshorn stellte in seinem Urteil fest, dass es sich bei dem Verhalten des Klägers um eine sexuelle Belästigung gehandelt habe. Die Äußerung sei zudem schwerst beleidigend. Mit der Äußerung werde die Kollegin auf derbste Art und Weise zum Objekt sexueller Anspielung herabgewürdigt. Sie werde mit einem Objekt gleichgestellt. Es handelt sich nicht um eine bloße „Anzüglichkeit“, sondern um eine besonders krasse Form der Herabwürdigung. Es war für die Kammer auch kein Verständnis der Äußerung erkennbar, die nicht frauenfeindlich oder sexistisch sein sollte.

 

FAZIT:

Selbstverständlich handelt es sich hierbei um extreme Sachverhalte, trotzdem sollten Sie bei den anstehenden Weihnachtsfeiern daran denken, dass es sich um betriebliche Veranstaltungen handelt, die auch Kündigungen nach sich ziehen können. Weihnachtsfeiern sind kein rechtsfreier Raum, weshalb Sie sich auch in diesem Rahmen vernünftig verhalten sollten.

Sollte Ihnen dennoch ein Fehlverhalten auf Ihrer Weihnachtsfeier passieren und diese arbeitsrechtlichen Konsequenzen mit sich bringen, können Sie sich gerne an unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht der Kanzlei KAPPUS&BOHNE wenden.

 

Allen anderen wünschen wir eine schöne Weihnachtsfeier und eine besinnliche Vorweihnachtszeit!

 

Sabrina May

Rechtsanwältin

WEIHNACHTSSPECIAL I : Habe ich einen Anspruch auf „Weihnachtsgeld“?

Das Jahr 2023 neigt sich langsam dem Ende und die „Black-Week“ steht in den Startlöchern, weshalb sich viele Arbeitnehmer fragen, ob sie einen Anspruch auf Weihnachtsgeldgegenüber ihrem Arbeitgeber haben.

Die Hans-Böckler Stiftung veröffentlichte vor wenigen Tagen die aktuellen Auswertungen des WSI-Tarifarchivs, die ergeben haben, dass 53 % aller Beschäftigten Weihnachtsgeld erhalten. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes erhalten 2023 knapp 86 % der Tarifbeschäftigten ein durchschnittliches Weihnachtsgeld in Höhe von 2.809,00 Euro brutto.

Wir werden nachfolgend versuchen die meist gestellten Fragen zum Thema Weihnachtsgeld zu beantworten, damit Sie informiert in die Vorweihnachtszeit starten können.

 

Was ist „Weihnachtsgeld“?

Weihnachtsgeld ist eine zusätzliche Sonderzahlung, die in vielen Unternehmen in Deutschland am Ende des Jahres an die Arbeitnehmer mit dem Novembergehalt oder in zwei Teilen im November und Dezember ausgezahlt wird. Diese Sonderzahlung soll zum Teil dazu dienen, den Arbeitnehmern zusätzliche finanzielle Unterstützung für die Feiertage zu bieten und damit den Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, zusätzliche Ausgaben für Geschenke, Feiern und andere Weihnachtsaktivitäten zu tätigen. Ebenso kann das Weihnachtsgeld auch eine Form der Anerkennung und Wertschätzung für die Arbeit der Mitarbeiter im abgelaufenen Jahr darstellen. Das Bundesarbeitsgericht vertritt die Auffassung, dass die Bezeichnung einer Zahlung als „Weihnachtsgeld“ mehrere Deutungen zu lässt, ob es sich um eine Sondervergütung mit oder ohne Entgeltcharakter handelt oder ob es sich sogar um einen Sondervergütung mit Mischcharakter handelt (BAG, Urteil vom 25.01.2023 –  10 AZR 116/22).

Wer hat einen Anspruch auf „Weihnachtsgeld“?

Einen gesetzlichen Anspruch auf Weihnachtsgeld gibt es nicht. Sollte ein Anspruch auf Weihnachtsgeld bestehen, müsste dieser explizit im Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im individuellen Arbeitsvertrag geregelt sein. Hierüber hinaus kann ein Anspruch auf Weihnachtsgeld auch aus betrieblichen Übung oder dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz abgeleitet werden.

Sobald der Arbeitgeber ohne einen ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit allen Arbeitnehmern (oder allen Arbeitnehmern einer bestimmten Gruppe oder Abteilung) über einen längeren Zeitraum, mindestens drei aufeinanderfolgenden Jahren, ein Weihnachtsgeld in gleicher Höhe oder nach einer gleichbleibenden Berechnungsmethode zahlt, hat man auch in den folgenden Jahren auf Grundlage einer betrieblichen Übung einen Anspruch auf die Zahlung eines Weihnachtsgeldes gegenüber seinem Arbeitgeber.

Sollten in einem Unternehmen alle Arbeitnehmer bzw. alle Arbeitnehmer einer bestimmten Gruppe/Abteilung ein Weihnachtsgeld gezahlt werden, dürfen einzelne Arbeitnehmer, die mit den begünstigten Arbeitnehmern vergleichbar sind, nicht ohne triftige sachliche Gründe von der Weihnachtsgeldzahlung ausgeschlossen werden. In diesem Fall können die benachteiligten Arbeitnehmer ihren Weihnachtsgeldanspruch auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.

Sollten Sie sich nicht sicher sein, ob Sie alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf die Zahlung eines Weihnachtsgeldes erfüllen, können Sie sich gerne mit Ihren individuellen Fragen an unser Arbeitsrechtsteam der Kanzlei KAPPUS&BOHNE wenden.

Haben auch Teilzeitbeschäftigte einen Anspruch auf ein „Weihnachtsgeld“?

Sollten die oben aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sein, haben auch Teilzeitbeschäftigte grundsätzlich einen Anspruch auf die Auszahlung eines Weihnachtsgeldes. Teilzeitbeschäftigte dürfen gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, jedoch kann die Höhe des Weihnachtsgeldes auf das individuelle Maß der Teilzeitbeschäftigung angepasst werden.

 

Können Arbeitgeber das „Weihnachtsgeld“ aufgrund von Krankheit, Elternzeit oder eines Sabbatical kürzen?

Grundsätzlich können in den vorgenannten Fallbeispielen die beidseitigen vertraglichen Hauptpflichten ruhen. Dies bedeutet insbesondere, dass der Arbeitnehmer nicht seine Arbeitsleistung erbringen muss und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Vergütung zahlen muss.

Wie bereits dargestellt, vertritt das Bundesarbeitsgericht die Auffassung, dass die Bezeichnung einer Zahlung als „Weihnachtsgeld“ mehrere Deutungen zu lässt, ob es sich beim Weihnachtsgeld um eine Sondervergütung mit oder ohne Entgeltcharakter handelt oder ob es sich um eine Sondervergütung mit Mischcharakter handelt (BAG, Urteil vom 25.01.2023 –  10 AZR 116/22). Aus diesem Grund kann diese Frage nicht pauschal beantwortet werden und muss individuell aufgrund Ihres persönlichen Falles von einem unserer Arbeitsrechtsexperten der Kanzlei KAPPUS&BOHNE geprüft werden.

 

FAZIT:

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass obwohl mehr als die Hälfte der Beschäftigten Weihnachtsgeld erhalten, es sich aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Anspruchsgrundlage um eine sehr individuelle Frage handelt, ob und in welcher Höhe ein Arbeitnehmer Weihnachtsgeld erhält.

Damit Sie beruhigt mit dem Wissen, ob Ihnen tatsächlich Weihnachtsgeld zusteht, in die Vorweihnachtszeit starten können, vereinbaren Sie doch gerne eine Erstberatung mit einem unserer Rechtsanwälte der Kanzlei KAPPUS&BOHNE.

 

 

Sabrina May

Rechtsanwältin

Wirtschaftsnobelpreis 2023 geht an Harvard-Professorin Claudia Goldin

Die US-Volkswirtin Claudia Goldin erhält als erste Frau alleine die Auszeichnung des Wirtschaftsnobelpreises.

Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ist der einzige, der nicht auf das Testament des Dynamit-Erfinder und Preisstifter Herrn Alfred Nobel (1833-1896) zurückgeht. Seit Ende der 1960er-Jahre wird er von der schwedischen Reichsbank gestiftet und wird gemeinsam mit den weiteren Nobelpreisen am Todestag von Herrn Alfred Nobel, dem 10. Dezember, feierlich überreicht.

Frau Claudia Goldin wird für ihre Forschung zur Rolle von Frauen auf dem Arbeitsmarkt geehrt. Schwerpunkt ihrer Forschung ist die „Aufdeckung der wichtigsten Ursachen für die geschlechtsspezifische Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt“.

Im Mittelpunkt der Analysen und Erklärungsmodelle Goldins steht insbesondere, dass die Wahlmöglichkeiten von Frauen auf dem Arbeitsmarkt oft durch Ehe und Verantwortung für Haus und Familie in der Vergangenheit eingeschränkt wurden und weiterhin eingeschränkt werden.

Eines der zentralsten Ergebnisse von Goldins Forschung ist, dass Frauen auf dem globalen Arbeitsmarkt erheblich unterrepräsentiert sind und weniger als Männer verdienen, wenn sie arbeiten.

Das Statistische Bundesamt veröffentliche hierzu am 30.01.2023, dass Frauen im Jahr 2022 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 % weniger als Männer verdient haben und damit eines der EU-Schlusslichter bleibt. Im Jahr 2021 wiesen lediglich Estland (21%) und Österreich (19%) einen noch höheren geschlechtsspezifischen Verdienstabstand als Deutschland auf.

 

Sabrina May

Rechtsanwältin

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“

Als am 01.09.1948 die Ausarbeitung des Grundgesetzes begann, war das keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Dass diese Aussage zu einem Verfassungsgrundsatz wurde, der in unserem, am 23.05.1949 in Bonn unterzeichneten, Grundgesetz als Artikel 3 Abs. 2 GG enthalten ist, haben wir den „vier Müttern“ des Grundgesetzes, allen voran der Kasseler Juristin Elisabeth Selbert zu verdanken.

Im September 2023 jährt sich diese historische Errungenschaft zum 75. Mal.

Neues zum Arbeitszeugnis – Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 06.06.2023-9AZR 272/22

Eine der wichtigsten Passagen im Arbeitszeugnis ist die sogenannte, Dankes-, Bedauerns- und Gute Wünsche – Formel.

Sie steht regelmäßig ganz am Ende des Zeugnisses und lautet im optimalen Fall wie folgt:

"Herr/Frau....verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch. Wir bedauern dies außerordentlich, 
danken ihm/ihr für die sehr gute Zusammenarbeit und wünschen ihm/ihr für seine/ihre private, 
wie berufliche Zukunft alles Gute und weiterhin viel Erfolg."

Die besondere Bedeutung dieses Abschlusssatzes rührt daher, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf den Abschlusssatz besteht. Entsprechend kann dieser auch im Rahmen eines Zeugnisberichtigungsprozesses nicht eingeklagt werden. Mit der Folge, dass ein Fehlen des Abschlusssatzes für einen potentiellen neuen Arbeitgeber ein Anzeichen dafür ist, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber, der das Zeugnis schreibt, nicht wohlwollend zu Ende gegangen ist.

Daran ändert sich durch das jüngste Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 06.06.2023-9AZR 272/22 dem Grunde nach nichts und dennoch hilft das Urteil Arbeitnehmern bei Zeugnis- Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber erheblich weiter.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem neuen Urteil nämlich jetzt klargestellt, dass eine einmal in einem Zeugnis- Entwurf oder einem vom Arbeitnehmer bemängelten Endzeugnis enthaltene Dankesformel nicht mehr gestrichen werden kann, nur weil der Arbeitgeber sich über die Änderungswünsche des Arbeitnehmers hinsichtlich des sonstigen Zeugnistextes ärgert.

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte eine Arbeitnehmerin von ihrem Arbeitgeber ein Endzeugnis mit einer entsprechenden Dankes- und Gute Wünsche Formel erhalten. Sie bemängelte allerdings andere Formulierungen im Zeugnis und bat den Arbeitgeber mehrfach um Änderungen des Zeugnisses. Der Arbeitgeber berücksichtigte diese Änderungen und stellte das Zeugnis mehrfach neu aus, im dritten Entwurf war dann allerdings die Dankesformel nicht mehr enthalten. Der Arbeitgeber hatte argumentiert, dass der Grundsatz der Zeugniswahrheit im verbiete eine derartige Schlussformel weiter zu verwenden, wenn sich sein subjektives Empfinden nach der Erteilung des Zeugnisses geändert habe.

Mit anderen Worten der Arbeitgeber wusste, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Dankes -Schlussformel hatte und setzte seinen Ärger über die mehrfachen Änderungswünsche der Arbeitnehmerin so um, dass er die Dankesformel aus dem Zeugnis entfernte.

Damit verstieß der Arbeitgeber, so das Bundesarbeitsgericht, gegen das sogenannte Maßregelungsverbot. Die Beanstandung des Zeugnisses durch den Arbeitnehmer darf nach ständiger Rechtsprechung nicht zur Verschlechterung des Zeugnisses führen.

Der Arbeitgeber hatte dadurch, dass er in den ersten beiden Zeugnisentwürfen die Dankesformel verwendet hatte, deutlich gemacht, dass er bereit sei diese im Zeugnis aufzunehmen. Allein die Tatsache, dass er vom Verhalten der Arbeitnehmerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses genervt war, weil sie mehrfach die Zeugnisbewertung monierte, darf nicht dazu führen, dass er das Arbeitgeber etwas was er bereits zugestanden hatte wegfallen lässt.

Fazit:

Leider bleibt es dabei, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Dankes- Bedauerns- und Gute Wünsche Formel im Zeugnis hat. Erfreulich ist aber, dass das Bundesarbeitsgericht klarstellt, dass jegliche Verschlechterung des ursprünglich ausgestellten Zeugnistextes, nach Bemängelung durch den Arbeitnehmer, gegen das Maßregelungsverbot verstösst.

Die Bonussaison 2023 hat begonnen

Haben Sie Ihren Bonus für das Geschäftsjahr 2022 schon erhalten?

In der Regel zahlen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern den Bonus für das vergangene Geschäftsjahr innerhalb des ersten Quartals des neuen Jahres aus. Bis zu diesem Zeitpunkt steht meist das Geschäftsergebnis von Unternehmen und Banken fest und der Arbeitgeber konnte feststellen, inwieweit die Unternehmensziele und ggf. die persönlichen Ziele seiner Mitarbeiter erreicht wurden. Verläuft das Arbeitsverhältnis reibungslos, treten meist keine Probleme mit der Bonuszahlung auf. Erst wenn es zu Unstimmigkeiten oder Veränderungen kommt, der Arbeitnehmer zum Beispiel eine Eigenkündigung zur Mitte oder zum Ende des Geschäftsjahres ausgesprochen hat, erweist sich die Geltendmachung des Bonusanspruches oft alles andere als einfach.

Die zahlreichen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Thema Bonus zeigen deutlich, dass Bonusstreitigkeiten äußerst komplex sind. Es gibt verschiedene Arten von Sonderzahlungen des Arbeitgebers und nicht immer handelt es sich hierbei um einen Bonus im klassischen Sinne. Bei der Geltendmachung des Anspruches gibt es zudem einige Fallstricke zu beachten.

Im Folgenden geben wir Ihnen einen kurzen Überblick darüber, welche Arten von Bonusvereinbarungen es gibt und auf was Sie bei der Geltendmachung Ihres Bonusanspruches achten müssen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Ihnen ein Bonusanspruch zusteht oder nicht, kontaktieren Sie im Zweifelsfall aber lieber immer einen Fachanwalt für Arbeitsrecht!

Sonderzahlungen des Arbeitgebers

Hängt der Bonus nicht von der Erbringung eines bestimmten Erfolges ab, zählt er zu den sogenannten Sonderzahlungen des Arbeitgebers. Hierunter fallen alle Leistungen des Arbeitgebers, die nicht regelmäßig mit dem Arbeitsentgelt ausgezahlt werden, sondern aus bestimmten Anlässen oder zu bestimmten Terminen gewährt werden. Auch Gratifikationen, Weihnachtsgeld, Jubiläumsgeld und das 13. Monatsgehalt fallen hierunter. Einen gesetzlichen Anspruch auf eine Sonderzahlung haben Sie nicht. Vielmehr kann sich ein solcher Anspruch aus arbeitsvertraglichen Reglungen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben. Eine Sonderzahlung kann Ihnen allerdings auch aufgrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes oder einer betrieblichen Übung zustehen.

Sind im Arbeitsvertrag enthaltene Stichtagsklauseln wirksam?

Man kann bei den Sonderzahlungen zwischen Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter, Sonderzahlungen ohne Entgeltcharakter und Sonderzahlungen mit Mischcharakter unterscheiden. Um welche Art von Sonderzahlung es sich handelt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Will Ihr Arbeitgeber lediglich Ihre Betriebstreue belohnen, handelt es sich um eine Sonderzahlung ohne Entgeltcharakter (auch Sonderzahlung mit Bindungswirkung genannt). Erbringt Ihr Arbeitgeber die Sonderzahlung als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung handelt es sich um eine Sonderzahlung mit Entgeltcharakter. Sonderzahlungen mit Mischcharakter sind sowohl Entgelt für erbrachte Arbeitsleistung als auch Belohnung der Betriebstreue.

Der Unterschied ist mit Blick auf die Wirksamkeit von im Arbeitsvertrag oder in Betriebsvereinbarungen oftmals enthaltenen Stichtagsklauseln sehr wichtig. Mit einer Stichtagsklausel macht Ihr Arbeitgeber die Auszahlung einer Sonderzahlung davon abhängig, ob Ihr Arbeitsverhältnis im Auszahlungszeitpunkt noch bestanden oder sogar noch ungekündigt bestanden hat. In der Regel können Stichtagsklauseln nur wirksam für Sonderzahlungen ohne Entgeltcharakter vereinbart werden. Sobald eine Sonderzahlung auch für bereits erbrachte Arbeitsleistung gezahlt wird, ist die Stichtagsklausel nach der Rechtsprechung des BAG regelmäßig unwirksam.

Was gilt bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis?

Wenn Sie vor dem vereinbarten Stichtag aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, haben Sie unter Umständen einen anteiligen Zahlungsanspruch auf den Bonus bzw. die Sonderzahlung.

Das gilt jedenfalls dann, wenn die Sonderzahlung zumindest auch als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung gewährt wird. Waren Sie beispielsweise im Jahr 2022 noch bis Ende Juni für Ihr Unternehmen tätig und stellt sich der Bonus als Gegenleistung für erbrachte Arbeit dar, dürfte Ihnen ein anteiliger Bonusanspruch für sechs Monate zustehen. Soll mit der Sonderzahlung ausschließlich die Betriebstreue belohnt werden, besteht auch kein anteiliger Zahlungsanspruch.

Kann sich der Arbeitgeber auf die Freiwilligkeit der Leistung berufen?

 Ganz überwiegend wird die Auszahlung des Bonus oder einer anderen Sonderzahlung unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt. Oft fällt Arbeitnehmern erst bei Streitigkeiten über die Bonuszahlung auf, dass irgendwo in dem Arbeitsvertrag oder einer anderen Vereinbarung geregelt ist, dass der Arbeitgeber jedes Jahr neu und frei darüber entscheiden will, ob er einen Bonus auszahlt oder nicht. Durch den Freiwilligkeitsvorbehalt will der Arbeitgeber verhindern, dass ein Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers aus betrieblicher Übung entsteht. Ob ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt wirksam ist oder nicht, muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Entscheidend ist, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt und er transparent ist. Eine unangemessene Benachteiligung ist regelmäßig gegeben, wenn ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst. Wird dem Arbeitnehmer an einer Stelle des Arbeitsvertrages eine Sonderzahlung feste zugesagt und an einer anderen Stelle als freiwillig bezeichnet, handelt es sich in der Regel um eine widersprüchliche und damit unwirksame Klausel. Aber Achtung: Ein jeweils zum Zeitpunkt der Auszahlung erklärter Freiwilligkeitsvorbehalt kann einen Anspruch auf eine künftige Sonderzahlung ggf. wirksam verhindern!

Steht die Bonuszahlung im Ermessen des Arbeitgebers?

In jüngster Zeit vereinbaren immer mehr Arbeitgeber einen Ermessensbonus anstatt den Bonusanspruch unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu stellen. Der Vorteil eines Ermessensbonus gegenüber einer Bonusregelung mit Freiwilligkeitsvorbehalt liegt darin, dass er vergleichsweise rechtssicher vereinbart werden kann. Zudem kann der Arbeitgeber durch eine solche Regelung flexibel auf wirtschaftliche Schwankungen reagieren. Haben die Arbeitsvertragsparteien einen Ermessensbonus vereinbart, erhält der Arbeitnehmer einen klagbaren Anspruch, der in der konkreten Höhe noch unbestimmt ist. Die Ausübung der Leistungsbestimmung (= Bonusfestsetzung durch den Arbeitgeber) ist gerichtlich überprüfbar. Sind Kriterien für die Ermessensausübung vereinbart worden, muss sich der Arbeitgeber an diese halten. In Betracht kommen hierbei unter anderem die Bonushöhe der vergangenen Jahre, der Unternehmenserfolg, die persönlichen Leistungen des Arbeitnehmers, der Umfang der Leistungen an andere Arbeitnehmer oder der Umfang des Bonuspools. Kommt es zu einem Gerichtsprozess über die Frage, ob der Arbeitgeber sein Ermessen in Bezug auf die Bonusfestsetzung korrekt ausgeübt hat oder nicht, muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass seine Entscheidung billigem Ermessen entspricht. Eine Ermessensreduzierung auf null ist in der Regel dann unbillig und damit nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer alle vereinbarten persönlichen Ziele erreicht hat.

Was gilt bei Zielbonusprogrammen?

Hängt die Gewährung eines Bonus von einem bestimmten Erfolg ab, zählt er zu den sogenannten variablen Vergütungsbestandteilen. Oft hängt die Bonuszahlung davon ab, dass innerhalb eines bestimmten Beurteilungsspielraums bestimmte Ziele erreicht werden. Die Ziele können sich dabei aus Unternehmenszielen und persönlichen Zielen zusammensetzen. Das muss aber nicht immer so sein. Soll der Arbeitnehmer lediglich am Unternehmenserfolg beteiligt werden, spricht man von einer Tantieme. Erhält der Mitarbeiter für eine erfolgreiche Vermittlung oder einen erfolgreichen Vertragsabschluss eine bestimmte Geldsumme, bezeichnet man das als Provision.

Zielbonusprogramme sind ein beliebtes Mittel, um Arbeitnehmer zu Bestleistungen zu motivieren. Soll für die Auszahlung des Bonus ein bestimmter Unternehmenserfolg maßgeblich sein, wird der Arbeitnehmer zu unternehmerischem Handeln angeregt. Soll der Arbeitnehmer zusätzlich auch bestimmte persönliche Ziele erreichen, wird er mit Blick auf die Bonuszahlung alles daransetzen, die Ziele zu erreichen.

Überdies sind Zielbonusprogramme meist mehrstufig gestaltet. Auf der ersten Stufe treffen die Parteien eine Rahmenvereinbarung. Die Rahmenvereinbarung ist häufig im Arbeitsvertrag selbst oder einer Betriebsvereinbarung enthalten. Sie regelt die allgemeinen Grundsätze des Bonusprogrammes. Hierzu zählen unter anderem die Art der festgelegten Ziele, das Verfahren für den Abschluss der Zielvereinbarung, der maßgebliche Beurteilungszeitraum, die Ermittlung der Bonushöhe, die Fälligkeit des Bonusanspruches usw. Zudem enthält die Rahmenvereinbarung manchmal auch Aussagen darüber, wer die Initiative für die Zielvereinbarung ergreifen muss und was bei unterlassener Initiative gilt.

Auf der zweiten Stufe legen die Parteien dann für die jeweilige Zielperiode die Ziele fest, die der Arbeitnehmer erreichen soll. Hier ist zunächst zu klären, ob eine Zielvereinbarung oder eine Zielvorgabe vorliegt. Bei einer Zielvereinbarung haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer tatsächlich über die zu erreichenden Ziele verhandelt. Demgegenüber liegt eine Zielvorgabe vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer innerhalb der Grenzen seines Weisungsrechtes einseitig Ziele vorgegeben hat. Bei Zielvereinbarungen trägt der Arbeitnehmer in der Regel selbst das Risiko, dass er mit dem Arbeitgeber ggf. unrealistische Ziele vereinbart hat. Die Zielvorgabe des Arbeitgebers ist demgegenüber als einseitige Leistungsbestimmung einer allgemeinen Billigkeitskontrolle unterworfen und gerichtlich vollständig überprüfbar.

Achtung: Haben die Vertragsparteien für einen bestimmten Bezugszeitraum keinen oder erst verspätet Ziele festgelegt, obwohl der Arbeitgeber verpflichtet war, auf den Abschluss einer Zielvereinbarung/ eine Zielfestsetzung hinzuwirken, kommen ggf. Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers in Betracht.

Auf der dritten Stufe erfolgt schließlich die Zielbewertung für die jeweilige Zielperiode. Wie die Zielbewertung zu erfolgen hat, ergibt sich meist aus der Rahmenvereinbarung oder der Zielvereinbarung bzw. Zielvorgabe selbst. Es ist denkbar, dass alle Voraussetzungen für die Ermittlung der Bonushöhe abschließend geregelt sind. Dann wird der Arbeitgeber bei Erfüllung aller Voraussetzungen einen bestimmten Bonus auszahlen müssen.

Es ist aber auch denkbar, und im Geschäftsleben immer weiter verbreitet, dass sich der Arbeitgeber vorbehält, über die Bonushöhe nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der vereinbarten Ziele zu entscheiden. Dann handelt es sich um einen – bereits erwähnten – Ermessensbonus. Hier gelten die bereits aufgezeigten Grundsätze.

Was sollten Sie bei der Geltendmachung Ihres Bonusanspruches beachten?

Die meisten Arbeitsverträge enthalten zweistufige Ausschlussklauseln bzw. Verfallklauseln. Die Klauseln sehen meistens vor, dass Sie Ihren Bonusanspruch ab Fälligkeit innerhalb von drei Monaten zunächst gegenüber Ihrem Arbeitgeber geltend machen müssen (1. Stufe). Wenn Ihr Arbeitgeber Ihre Forderung ablehnt oder sich nicht äußert, haben Sie dann meistens weitere drei Monate Zeit, um den Anspruch einzuklagen (2.Stufe).

Viele Ausschlussklauseln waren in der Vergangenheit oft unwirksam. Allerdings haben die Arbeitgeber ihre Verträge mittlerweile angepasst. Es ist daher sehr wichtig, dass Sie Ihren Bonusanspruch innerhalb der vorgegebenen Fristen und am besten auch in der vorgegebenen Form geltend machen. Anderenfalls droht Ihnen der Verlust des Bonusanspruches! Für die Einhaltung der ersten Stufe ist es äußerst wichtig, dass Sie den Zeitpunkt der Fälligkeit des Bonusanspruches im Auge behalten, da Sie sich zum Fälligkeitszeitpunkt möglicherweise nicht mehr in dem Unternehmen befinden.

Die Geltendmachung des Bonusanspruches muss in der Regel schriftlich oder in Textform erfolgen. Mittlerweile darf zumindest in Arbeitsverträgen, die unter das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen fallen, für die Geltendmachung des Bonusanspruches keine strengere Form als die Textform vorgesehen sein. Sie können den Bonusanspruch damit auch per E-Mail geltend machen. Um Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich aber, den Anspruch auch tatsächlich in der von dem Arbeitgeber vorgegebenen Form fristgemäß geltend zu machen.

Lehnt Ihr Arbeitgeber den Bonusanspruch ab oder äußert er sich nicht auf Ihr Schreiben, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als den Bonus vor Gericht einzuklagen. Wenn Sie unsicher sind, ob Ihr Arbeitgeber Ihren Bonusanspruch zu Recht oder Unrecht abgelehnt hat, kontaktieren Sie im Zweifelsfall unbedingt einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Wir helfen Ihnen gerne bei der Durchsetzung Ihrer Bonusansprüche weiter!

Teresa Baudis,
Rechtsanwältin

Pia-Alexandra Kappus,
Fachanwältin für Arbeitsrecht, ADAC Vertragsanwältin       

BAG stärkt Kündigungsschutz von Schwangeren

Eine Kündigung während der Schwangerschaft ist sicherlich ein großer Schock. Allerdings besteht gegenüber schwangeren Arbeitnehmerinnen ein absolutes Kündigungsverbot, welches alle Arten von Kündigungen des Arbeitgebers erfasst. Doch wann genau beginnt der Sonderkündigungsschutz für Schwangere? Maßgeblich ist der Zeitpunkt, ab dem die Schwangerschaft der Frau besteht.

Berechnung des Schwangerschaftsbeginns

Wenn Sie schwanger sind und feststellen wollen, ab wann in Ihrem Fall das gesetzliche Kündigungsverbot für schwangere Arbeitnehmerinnen greift, müssen Sie auch weiterhin 280 Tage von dem ärztlich errechneten voraussichtlichen Entbindungstermin zurückrechnen. Der voraussichtliche Entbindungstag ist dabei nicht mitzuzählen. Das gilt jedenfalls im Fall einer natürlichen Empfängnis. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 24.11.2022 (Az. 2 AZR 11/22) festgestellt und damit die ständige Rechtsprechung des zweiten Senats bestätigt. Das BAG stärkt mit seinem Urteil den Kündigungsschutz von Schwangeren. In der Vergangenheit vertraten immer mehr Gerichte die Auffassung, dass nicht auf den frühestmöglichen Zeitpunkt einer Schwangerschaft abzustellen sei, sondern auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer.

Der Fall: Streit über den Zeitpunkt des Schwangerschaftsbeginns

Geklagt hatte eine seit dem 15.10.2020 beschäftigte hauswirtschaftliche Helferin. Mit ihrer Kündigungsschutzklage vom 12.11.2020 wehrte sich die Arbeitnehmerin gegen eine in der Probezeit ausgesprochene ordentliche Kündigung ihrer Arbeitgeberin. Das vom 6.11.2020 stammende Kündigungsschreiben ging der Arbeitnehmerin am Folgetag, dem 7.11.2020 zu. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 2.12.2020 teilte die Arbeitnehmerin dem Arbeitsgericht Heilbronn mit, dass sie in der sechsten Woche schwanger sei. Das Unternehmen erfuhr von der Schwangerschaft jedoch erst am 7.12.2020, als ihm die Abschrift des anwaltlichen Schriftsatzes zugestellt wurde. Der Abschrift war eine Schwangerschaftsbestätigung vom 26.11.2020 beigefügt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens reichte die hauswirtschaftliche Helferin eine weitere Schwangerschaftsbescheinigung über den voraussichtlichen Geburtstermin am 5.8.2020 nach.

Die Arbeitnehmerin vertrat die Auffassung, dass die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot von Schwangeren unwirksam sei. Zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges am 7.11.2020 sei sie bereits schwanger gewesen (nämlich seit dem 29.10.2020). Von der Schwangerschaft habe sie erst am 26.11.2020 Kenntnis gehabt. Danach habe sie ihre Arbeitgeberin auch unverzüglich über das Bestehen der Schwangerschaft unterrichtet. Das Unternehmen bestritt das Vorliegen einer Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges. Die Arbeitnehmerin hätte den Arbeitgeber außerdem schon früher über eine mögliche Schwangerschaft benachrichtigen müssen. Die verspätete Mitteilung sei auch nicht unverzüglich nachgeholt worden.

ArbG Heilbronn und LAG Baden-Württemberg: Durchschnittliche Schwangerschaftsdauer maßgeblich (Rückrechnung von 266 Tagen)

Die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin scheiterte in den ersten beiden Instanzen. Sowohl das ArbG Heilbronn als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hielten die Kündigung für wirksam. Nach Auffassung der Vorinstanzen sei die Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges nicht schwanger gewesen. Um den Beginn der Schwangerschaft zu ermitteln, müsse 266 Tage von dem ärztlich festgestellten voraussichtlichen Entbindungstermin zurückgerechnet werden. Bei der Rückrechnung sei nicht auf die äußerste zeitliche Grenze, sondern nur auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer abzustellen. Rechnet man ausgehend vom voraussichtlichen Entbindungstermin am 5.8.2021 um 266 Tage zurück, habe die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin am 12.11.2020 und damit erst vier Tage nach Zugang des Kündigungsschreibens begonnen.

BAG: Frühestmöglicher Zeitpunkt der Schwangerschaft maßgeblich (Rückrechnung von 280 Tagen)

Die Revision der Arbeitnehmerin vor dem BAG hatte Erfolg. Das BAG erteilte der Auffassung der Vorinstanzen, es sei für die Ermittlung des Schwangerschaftsbeginns auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer von 266 Tagen abzustellen, eine klare Absage. Der Zeitraum von 280 Tagen markiert nach Auffassung des BAG die äußerste zeitliche Grenze, innerhalb derer bei normalem Zyklus eine Schwangerschaft bestehen kann. Es müsse vom frühestmöglichen Zeitpunkt einer Schwangerschaft ausgegangen werden, um die Sicherheit und den Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen zu gewährleisten. Eine Rückrechnung von lediglich 266 Tagen genügt nach Ansicht des BAG den unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht.

Das in der EU-Mutterschutzrichtlinie vorgesehene Kündigungsverbot soll verhindern, dass sich die Gefahr, aus Gründen entlassen zu werden, die mit der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin in Verbindung stehen, schädlich auf ihre physische und psychische Verfassung auswirken kann. Auch wolle der deutsche Gesetzgeber Arbeitnehmerinnen und mittelbar deren Kinder vor wirtschaftlichen Existenzängsten und seelischen Zusatzbelastungen durch Kündigungsschutzprozesse schützen.

Unverschuldetes Überschreiten der Zwei-Wochen-Frist von LAG Baden-Württemberg noch zu klären

Das BAG verwies die Sache zurück an das LAG Baden-Württemberg. Das LAG muss nun im fortgesetzten Berufungsverfahren klären, ob die Arbeitnehmerin unverschuldet die Zwei-Wochen-Frist gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 MuSchG überschritten hat. Normalerweise muss eine bestehende Schwangerschaft dem Arbeitgeber – soweit er noch keine Kenntnis von der Schwangerschaft hat – innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt werden. Wurde die Zwei-Wochen-Frist – wie vorliegend – überschritten, kommt es darauf an, ob die Fristüberschreitung unverschuldet erfolgte und die Mitteilung der Schwangerschaft unverzüglich nachgeholt wurde. Vorliegend wäre die Mitteilung der Arbeitnehmerin über das Bestehen ihrer Schwangerschaft noch unverzüglich nachgeholt worden, wenn sie tatsächlich erst am 26.11.2020 von ihrer Schwangerschaft wusste. Ob das der Fall war, muss nun das LAG Baden-Württemberg feststellen

FAZIT:

Dem Urteil des BAG vom 24.11.2022 (Az. 2 AZR 11/22) ist vollumfänglich zuzustimmen. Die Entscheidung wird dem unionsrechtlichen und verfassungsrechtlich gebotenen Schutz von werdender Mutter und Kind gerecht. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Arbeitnehmerinnenschutzes sind für die Berechnung des Schwangerschaftsbeginns auch Tage zu berücksichtigen, in denen das Vorliegen einer Schwangerschaft medizinisch eher unwahrscheinlich ist.

Praxistipp:

Arbeitnehmerinnen stellen sich immer wieder die Frage, wann der beste Zeitpunkt ist, ihren Arbeitgeber über eine bestehende Schwangerschaft zu informieren.

Zeitpunkt der Mitteilung bei reibungslosem Arbeitsverhältnis

Wenn das Arbeitsverhältnis reibungslos verläuft und keine Kündigung droht, empfiehlt es sich, den Arbeitgeber spätestens im Verlauf des zweiten oder letzten Schwangerschaftsdrittels über die Schwangerschaft zu unterrichten. Nur wenn der Arbeitgeber weiß, dass Sie schwanger sind, kann er auch Sorge dafür tragen, dass die mutterschutzrechtlichen Vorschriften (zum Beispiel Beschäftigungsverbote) eingehalten werden. Wenn absehbar ist, dass Sie zum Ende ihrer Schwangerschaft hin eine wichtige Aufgabe übernehmen sollen, bei der Sie nur schwer zu vertreten sind, dürften Sie unter Umständen sogar zu Beginn des zweiten Schwangerschaftsdrittels verpflichtet sein, den Arbeitgeber über Ihre Schwangerschaft zu informieren. Da es im ersten Schwangerschaftsdrittel relativ häufig zu Fehlgeburten kommt, dürfte eine vorherige Offenbarungspflicht hingegen in der Regel ausscheiden.

Zeitpunkt der Mitteilung bei drohender Kündigung

Sind Sie schwanger und zeichnet sich ab, dass Sie eine Kündigung bekommen werden, verhält sich die Situation anders. In diesem Fall sollten Sie Ihrem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen, dass Sie schwanger sind. Sobald der Arbeitgeber Kenntnis von Ihrer Schwangerschaft hat, kann er Ihnen für den Zeitraum der Schwangerschaft (und darüber hinaus auch bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung) nicht wirksam kündigen. Grundsätzlich ist die Mitteilung formlos möglich, allerdings muss auf Verlangen des Arbeitgebers ein ärztliches Attest vorgelegt werden. Es liegt im Interesse beider Parteien, dass zumindest im weiteren Verlauf eine schriftliche Bescheinigung über die Schwangerschaft und den voraussichtlichen Entbindungstermin vorgelegt wird, um Unklarheiten von vornherein zu vermeiden.

Was tun bei Kündigung während der Schwangerschaft?

Sollten Sie schwanger sein und bereits eine Kündigung erhalten haben, weil Ihr Arbeitgeber nicht wusste, dass Sie schwanger sind, gilt Folgendes:

Sie müssen Ihrem Arbeitgeber die Schwangerschaft innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung nachträglich mitteilen. Es kommt hierbei nicht auf das rechtzeitige Absenden der Mitteilung, sondern auf den tatsächlichen Zugang beim Arbeitgeber an. Dabei muss sich aus der Mitteilung selbst entnehmen lassen, dass die Schwangerschaft schon bei Zugang der Kündigung bestand. Erfolgt die Mitteilung nicht fristgemäß, verlieren Sie unter Umständen Ihren Kündigungsschutz!

Der Kündigungsschutz geht nur dann auch bei Überschreiten der Zwei-Wochen-Frist nicht verloren, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Sie müssen darstellen können, dass Sie das Überschreiten der Frist nicht zu verschulden haben.
  • Weiterhin müssen Sie den Zeitpunkt der Kenntniserlangung darlegen sowie darstellen können, dass die nachträgliche Mitteilung unverzüglich erfolgt ist.

Haben Sie aufgrund eines ärztlichen Zeugnisses oder eines positiven Schwangerschaftstest positive Kenntnis von ihrer Schwangerschaft, so ist die unterlassene rechtzeitige Mitteilung in der Regel schuldhaft. Gleiches gilt, wenn zwingende Anhaltspunkte gegeben sind, die das Vorliegen einer Schwangerschaft praktisch unabweisbar erscheinen lassen.

Bei Zweifeln und Fragen über Ihren Kündigungsschutz während der Schwangerschaft, sprechen Sie uns gerne an.

Teresa Baudis

Ihr Team der Kanzlei Kappus und Bohne

Fachanwalt Arbeitsrecht

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