Eine Kündigung während der Schwangerschaft ist sicherlich ein großer Schock. Allerdings besteht gegenüber schwangeren Arbeitnehmerinnen ein absolutes Kündigungsverbot, welches alle Arten von Kündigungen des Arbeitgebers erfasst. Doch wann genau beginnt der Sonderkündigungsschutz für Schwangere? Maßgeblich ist der Zeitpunkt, ab dem die Schwangerschaft der Frau besteht.

Berechnung des Schwangerschaftsbeginns

Wenn Sie schwanger sind und feststellen wollen, ab wann in Ihrem Fall das gesetzliche Kündigungsverbot für schwangere Arbeitnehmerinnen greift, müssen Sie auch weiterhin 280 Tage von dem ärztlich errechneten voraussichtlichen Entbindungstermin zurückrechnen. Der voraussichtliche Entbindungstag ist dabei nicht mitzuzählen. Das gilt jedenfalls im Fall einer natürlichen Empfängnis. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 24.11.2022 (Az. 2 AZR 11/22) festgestellt und damit die ständige Rechtsprechung des zweiten Senats bestätigt. Das BAG stärkt mit seinem Urteil den Kündigungsschutz von Schwangeren. In der Vergangenheit vertraten immer mehr Gerichte die Auffassung, dass nicht auf den frühestmöglichen Zeitpunkt einer Schwangerschaft abzustellen sei, sondern auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer.

Der Fall: Streit über den Zeitpunkt des Schwangerschaftsbeginns

Geklagt hatte eine seit dem 15.10.2020 beschäftigte hauswirtschaftliche Helferin. Mit ihrer Kündigungsschutzklage vom 12.11.2020 wehrte sich die Arbeitnehmerin gegen eine in der Probezeit ausgesprochene ordentliche Kündigung ihrer Arbeitgeberin. Das vom 6.11.2020 stammende Kündigungsschreiben ging der Arbeitnehmerin am Folgetag, dem 7.11.2020 zu. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 2.12.2020 teilte die Arbeitnehmerin dem Arbeitsgericht Heilbronn mit, dass sie in der sechsten Woche schwanger sei. Das Unternehmen erfuhr von der Schwangerschaft jedoch erst am 7.12.2020, als ihm die Abschrift des anwaltlichen Schriftsatzes zugestellt wurde. Der Abschrift war eine Schwangerschaftsbestätigung vom 26.11.2020 beigefügt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens reichte die hauswirtschaftliche Helferin eine weitere Schwangerschaftsbescheinigung über den voraussichtlichen Geburtstermin am 5.8.2020 nach.

Die Arbeitnehmerin vertrat die Auffassung, dass die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot von Schwangeren unwirksam sei. Zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges am 7.11.2020 sei sie bereits schwanger gewesen (nämlich seit dem 29.10.2020). Von der Schwangerschaft habe sie erst am 26.11.2020 Kenntnis gehabt. Danach habe sie ihre Arbeitgeberin auch unverzüglich über das Bestehen der Schwangerschaft unterrichtet. Das Unternehmen bestritt das Vorliegen einer Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges. Die Arbeitnehmerin hätte den Arbeitgeber außerdem schon früher über eine mögliche Schwangerschaft benachrichtigen müssen. Die verspätete Mitteilung sei auch nicht unverzüglich nachgeholt worden.

ArbG Heilbronn und LAG Baden-Württemberg: Durchschnittliche Schwangerschaftsdauer maßgeblich (Rückrechnung von 266 Tagen)

Die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin scheiterte in den ersten beiden Instanzen. Sowohl das ArbG Heilbronn als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hielten die Kündigung für wirksam. Nach Auffassung der Vorinstanzen sei die Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges nicht schwanger gewesen. Um den Beginn der Schwangerschaft zu ermitteln, müsse 266 Tage von dem ärztlich festgestellten voraussichtlichen Entbindungstermin zurückgerechnet werden. Bei der Rückrechnung sei nicht auf die äußerste zeitliche Grenze, sondern nur auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer abzustellen. Rechnet man ausgehend vom voraussichtlichen Entbindungstermin am 5.8.2021 um 266 Tage zurück, habe die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin am 12.11.2020 und damit erst vier Tage nach Zugang des Kündigungsschreibens begonnen.

BAG: Frühestmöglicher Zeitpunkt der Schwangerschaft maßgeblich (Rückrechnung von 280 Tagen)

Die Revision der Arbeitnehmerin vor dem BAG hatte Erfolg. Das BAG erteilte der Auffassung der Vorinstanzen, es sei für die Ermittlung des Schwangerschaftsbeginns auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer von 266 Tagen abzustellen, eine klare Absage. Der Zeitraum von 280 Tagen markiert nach Auffassung des BAG die äußerste zeitliche Grenze, innerhalb derer bei normalem Zyklus eine Schwangerschaft bestehen kann. Es müsse vom frühestmöglichen Zeitpunkt einer Schwangerschaft ausgegangen werden, um die Sicherheit und den Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen zu gewährleisten. Eine Rückrechnung von lediglich 266 Tagen genügt nach Ansicht des BAG den unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht.

Das in der EU-Mutterschutzrichtlinie vorgesehene Kündigungsverbot soll verhindern, dass sich die Gefahr, aus Gründen entlassen zu werden, die mit der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin in Verbindung stehen, schädlich auf ihre physische und psychische Verfassung auswirken kann. Auch wolle der deutsche Gesetzgeber Arbeitnehmerinnen und mittelbar deren Kinder vor wirtschaftlichen Existenzängsten und seelischen Zusatzbelastungen durch Kündigungsschutzprozesse schützen.

Unverschuldetes Überschreiten der Zwei-Wochen-Frist von LAG Baden-Württemberg noch zu klären

Das BAG verwies die Sache zurück an das LAG Baden-Württemberg. Das LAG muss nun im fortgesetzten Berufungsverfahren klären, ob die Arbeitnehmerin unverschuldet die Zwei-Wochen-Frist gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 MuSchG überschritten hat. Normalerweise muss eine bestehende Schwangerschaft dem Arbeitgeber – soweit er noch keine Kenntnis von der Schwangerschaft hat – innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt werden. Wurde die Zwei-Wochen-Frist – wie vorliegend – überschritten, kommt es darauf an, ob die Fristüberschreitung unverschuldet erfolgte und die Mitteilung der Schwangerschaft unverzüglich nachgeholt wurde. Vorliegend wäre die Mitteilung der Arbeitnehmerin über das Bestehen ihrer Schwangerschaft noch unverzüglich nachgeholt worden, wenn sie tatsächlich erst am 26.11.2020 von ihrer Schwangerschaft wusste. Ob das der Fall war, muss nun das LAG Baden-Württemberg feststellen

FAZIT:

Dem Urteil des BAG vom 24.11.2022 (Az. 2 AZR 11/22) ist vollumfänglich zuzustimmen. Die Entscheidung wird dem unionsrechtlichen und verfassungsrechtlich gebotenen Schutz von werdender Mutter und Kind gerecht. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Arbeitnehmerinnenschutzes sind für die Berechnung des Schwangerschaftsbeginns auch Tage zu berücksichtigen, in denen das Vorliegen einer Schwangerschaft medizinisch eher unwahrscheinlich ist.

Praxistipp:

Arbeitnehmerinnen stellen sich immer wieder die Frage, wann der beste Zeitpunkt ist, ihren Arbeitgeber über eine bestehende Schwangerschaft zu informieren.

Zeitpunkt der Mitteilung bei reibungslosem Arbeitsverhältnis

Wenn das Arbeitsverhältnis reibungslos verläuft und keine Kündigung droht, empfiehlt es sich, den Arbeitgeber spätestens im Verlauf des zweiten oder letzten Schwangerschaftsdrittels über die Schwangerschaft zu unterrichten. Nur wenn der Arbeitgeber weiß, dass Sie schwanger sind, kann er auch Sorge dafür tragen, dass die mutterschutzrechtlichen Vorschriften (zum Beispiel Beschäftigungsverbote) eingehalten werden. Wenn absehbar ist, dass Sie zum Ende ihrer Schwangerschaft hin eine wichtige Aufgabe übernehmen sollen, bei der Sie nur schwer zu vertreten sind, dürften Sie unter Umständen sogar zu Beginn des zweiten Schwangerschaftsdrittels verpflichtet sein, den Arbeitgeber über Ihre Schwangerschaft zu informieren. Da es im ersten Schwangerschaftsdrittel relativ häufig zu Fehlgeburten kommt, dürfte eine vorherige Offenbarungspflicht hingegen in der Regel ausscheiden.

Zeitpunkt der Mitteilung bei drohender Kündigung

Sind Sie schwanger und zeichnet sich ab, dass Sie eine Kündigung bekommen werden, verhält sich die Situation anders. In diesem Fall sollten Sie Ihrem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen, dass Sie schwanger sind. Sobald der Arbeitgeber Kenntnis von Ihrer Schwangerschaft hat, kann er Ihnen für den Zeitraum der Schwangerschaft (und darüber hinaus auch bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung) nicht wirksam kündigen. Grundsätzlich ist die Mitteilung formlos möglich, allerdings muss auf Verlangen des Arbeitgebers ein ärztliches Attest vorgelegt werden. Es liegt im Interesse beider Parteien, dass zumindest im weiteren Verlauf eine schriftliche Bescheinigung über die Schwangerschaft und den voraussichtlichen Entbindungstermin vorgelegt wird, um Unklarheiten von vornherein zu vermeiden.

Was tun bei Kündigung während der Schwangerschaft?

Sollten Sie schwanger sein und bereits eine Kündigung erhalten haben, weil Ihr Arbeitgeber nicht wusste, dass Sie schwanger sind, gilt Folgendes:

Sie müssen Ihrem Arbeitgeber die Schwangerschaft innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung nachträglich mitteilen. Es kommt hierbei nicht auf das rechtzeitige Absenden der Mitteilung, sondern auf den tatsächlichen Zugang beim Arbeitgeber an. Dabei muss sich aus der Mitteilung selbst entnehmen lassen, dass die Schwangerschaft schon bei Zugang der Kündigung bestand. Erfolgt die Mitteilung nicht fristgemäß, verlieren Sie unter Umständen Ihren Kündigungsschutz!

Der Kündigungsschutz geht nur dann auch bei Überschreiten der Zwei-Wochen-Frist nicht verloren, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Sie müssen darstellen können, dass Sie das Überschreiten der Frist nicht zu verschulden haben.
  • Weiterhin müssen Sie den Zeitpunkt der Kenntniserlangung darlegen sowie darstellen können, dass die nachträgliche Mitteilung unverzüglich erfolgt ist.

Haben Sie aufgrund eines ärztlichen Zeugnisses oder eines positiven Schwangerschaftstest positive Kenntnis von ihrer Schwangerschaft, so ist die unterlassene rechtzeitige Mitteilung in der Regel schuldhaft. Gleiches gilt, wenn zwingende Anhaltspunkte gegeben sind, die das Vorliegen einer Schwangerschaft praktisch unabweisbar erscheinen lassen.

Bei Zweifeln und Fragen über Ihren Kündigungsschutz während der Schwangerschaft, sprechen Sie uns gerne an.

Teresa Baudis

Ihr Team der Kanzlei Kappus und Bohne